Anhörung vom BMF am 19. August 2021 zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und Token

Am 17. Juni 2021 hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Entwurf eines mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmten BMF-Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung von Token im Allgemeinen und virtuellen Währungen wie z.B. Bitcoin im Speziellen veröffentlicht.

In der Folgezeit erhielt das BMF zahlreiche Stellungnahmen von verschiedenen Verbänden, die größtenteils zwar die grundsätzliche Zielsetzung des BMF-Schreibens zur Förderung von Rechtsklarheit und damit auch Planungssicherheit begrüßt, jedoch gleichzeitig umfangreiche Kritik an der teilweise undifferenzierten steuerrechtlichen Einordung von mannigfaltigen Konstellationen durch eine einheitliche Zuordnung zu bestimmten Oberbegriffen (z.B. Staking) geübt haben. Hinzu traten Bedenken hinsichtlich eines etwaigen Vollzugsdefizits und den Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten des Steuerpflichtigen, zu denen der Entwurf des BMF-Schreibens nur Platzhalter aufweisen konnte.

Im Hinblick auf den starken Gegenwind sah sich das BMF veranlasst am 19. August 2021 eine Anhörung zum Entwurf des BMF-Schreibens abzuhalten, im Rahmen derer verschiedene Vertreter der aus dem Bereich Blockchain und Kryptowerte zu umstrittenen Punkten des Entwurfes erneut Stellung nehmen und diese mit Vertretern des BMF diskutieren konnten. Die grundsätzliche Diskussionsbereitschaft war somit gegeben. Wer sich vom BMF aber nun eine grundsätzliche Abkehr in wesentlichen Punkten des Entwurfs des BMF-Schreibens erhofft hat, wurde enttäuscht. Vielmehr ist nun mit der zeitnahen Veröffentlichung eines finalisierten BMF-Schreibens zu rechnen, dass die bereites im Entwurf enthaltenen Kernpunkte weitgehend unverändert übernehmen und damit auch sämtliche Finanzämter in allen offenen bzw. zukünftigen Fällen entsprechend binden wird.

Auch wenn die von zahlreichen Stimmen angeregten Änderungen – wenn überhaupt – nur in einem sehr geringen Umfang berücksichtigt werden, wollen wir im Folgenden für alle Interessierten einen zusammenfassenden Überblick über die am 19. August 2021 diskutierten Themen geben:

 

1.   Wirtschaftsguteigenschaft bei virtuellen Währungen

 

An der Wirtschaftsguteigenschaft von Einheiten einer virtuellen Währung hält das BMF fest und verweist insofern auf den vom BFH in seiner ständigen Rechtsprechung herangezogenen Begriff des Wirtschaftsguts. Bereitschaft, eine abweichende Beurteilung, wie z.B. die Wirtschaftsguteigenschaft des jeweiligen Private Keys, oder die Problematik der wirtschaftlichen Zurechnung offen zu diskutieren, war leider nicht zu erkennen.

 

2.   Definition von virtuellen Währungen

 

Virtuelle Währungen definierte das BMF in seinem Entwurf in Anlehnung an die Richtlinie (EU) 2018/843 als

digital dargestellte Werteinheiten von Währungen, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber deren Werteinheiten von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.“

Da jedoch Bitcoin in El Salvador ab dem 1. September 2021 als offizielles Zahlungsmittel zugelassen sein wird, wäre die o.g. Definition für Bitcoin nicht mehr erfüllt.

Dieses „Problem“ scheint das BMF durch eine schlichte Anpassung der Definition dergestalt lösen zu wollen, dass auch Bitcoin (wieder) als eine virtuelle Währung anzusehen ist.

 

3.   Durchsetzung des Besteuerungsanspruchs

 

Die zahlreichen Einwände hinsichtlich der mangelnden Fähigkeit zur Durchsetzung des Besteuerungsanspruchs, insbesondere im Zusammenhang mit der Veräußerung von Kryptowährungen, blockt das BMF mit dem Hinweis ab, dass „Verifikationsinstrumente“ wie z.B. Kontrollmitteilungen anlässlich von Betriebsprüfungen bei inländischen Handelsplätzen zur Verfügung stehen würden und ein internationaler Informationsaustausch auf OECD- und EU-Ebene verhandelt werde.

Die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Transaktionen über dezentralisierte Plattformen, bei denen naturgemäß kein Auskunftsverpflichteter zur Verfügung steht, bleibt demnach genauso wenig berücksichtigt wie die Tatsache, dass mit den derzeit zur Verfügung stehenden „Verifikationsinstrumenten“ allenfalls nur ein sehr geringer Anteil aller Transaktionen in persönlicher Hinsicht zugeordnet werden könnte.

 

4.   Gewerblichkeit bei der Blockerstellung

 

In Fällen der Blockerstellung, die mit den Stichworten Proof of Work und Proof of Stake verbunden wird, soll grundsätzlich eine gewerbliche Betätigung angenommen werden und eine anderweitige Einstufung nur auf Basis einer Einzelfallprüfung erfolgen können.

 

5.   Blockerstellung als Anschaffungsvorgang

 

Den im Rahmen einer Blockerstellung erzielten Block Rewards soll – trotz zahlreicher Gegenargumente und entgegen früherer Stellungnahmen von Landesfinanzbehörden – nicht etwa ein Herstellungs- sondern ein Anschaffungsvorgang zugrunde liegen. Konkret wird insoweit ein Leistungsaustausch von Rechenleistung (auch bei Proof of Stake) gegen Block Rewards angenommen. Auf diese Weise wird auch die Möglichkeit zur Erfüllung des Tatbestandes eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eröffnet.

Gegen einen Herstellungsvorgang führt das BMF an, dass der Block Reward bereits im Genesis-Block angelegt sei und nicht vom Miner / Validator erzeugt werde. Mit welchem Argument beim Mining ein derivativer Erwerbsvorgang, also ein Erwerb von einem Dritten (Anschaffung), angenommen werden kann, wurde vom BMF nicht weiter ausgeführt.

 

6.    Bewertung bei der Blockerstellung

 

Hinsichtlich der Bewertung der vom Miner bzw. Validator „angeschafften“ Block Rewards verweist das BMF weiterhin auf den Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung, zu ermitteln mit dem Börsenkurs oder bei Fehlen eines Börsenkurses auf Grundlage des durchschnittlichen Kurses dreier Handelsplattformen oder webbasierter Listen.

 

7.    An- und Verkäufe als gewerbliche Tätigkeit

 

Das BMF bestätigte noch einmal, dass häufige An- und Verkäufe allein noch keine gewerbliche Tätigkeit begründen sollen. Für die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit seien die Kriterien des gewerblichen Wertpapierhandels und nicht etwa die des gewerblichen Goldhandels heranzuziehen. Letztere seien nicht adäquat, da bei virtuellen Währungen – im Gegensatz zu Gold – eine Fruchtziehung, z.B. im Wege von Staking oder Lending, möglich sei.

 

8.    Verwendungsreihenfolge

 

Hinsichtlich des Grundsatzes der Einzelfallbetrachtung und der Möglichkeit der Anwendung von Verwendungsreihenfolgen zwecks Vereinfachung sieht das BMF keinen Änderungsbedarf.

 

9.    Staking und Lending – Verlängerung der Haltefristen und sonstige

Einkünfte

 

Einer der wesentlichen Kritikpunkte zum Entwurf des BMF-Schreibens war der Ansatz, insbesondere im Fall von Staking und Lending die Nutzung von Kryptowährungen als „Einkunftsquelle“ i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG und damit eine Verlängerung der zu beachtenden Veräußerungsfristen auf mehr als 10 Jahre zur Vermeidung der Besteuerung der Veräußerungsgewinne im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts anzunehmen. Gerade an diesem Punkt hält das BMF ohne Einschränkung fest.

Das vielfach angeführte Argument, dass die Vorschrift in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG zu Vermeidung von sog. Containerleasinggeschäften und vergleichbaren Modellen geschaffen wurde, beim Staking oder Lending jedoch kein vergleichbarer Fall vorliege, weist das BMF zurück und orientiert sich insoweit strikt am Wortlaut der Norm, der keine Einschränkung auf abnutzbare Wirtschaftsgüter oder Steuersparmodelle enthält.

In der Anhörung nahm das BMF zudem zu einem in der Praxis sehr umstrittenen Punkt zulasten des Steuerpflichtigen Stellung. Demnach sehe § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG keine Beschränkung auf Einkünfteerzielung im ersten Kalenderjahr vor. Demnach nimmt das BMF im Fall von Staking und Lending eine Verlängerung der zu beachtenden Haltefrist auf mehr als 10 Jahre auch bei Einheiten von Kryptowährungen an, die bereits aufgrund des Ablaufs der Haltefrist von mehr als einem Jahr steuerfrei veräußert werden könnten.

Staking und Lending führen dann zu Einkünften § 22 Nr. 3 EStG, sofern keine Gewerblichkeit vorliegt

Auch der unterbreitete Vorschlag zur Abkehr von der Besteuerung nach bestimmten Oberbegriffen, wie z.B. Staking oder Lending, hin zu einer Besteuerung anhand der konkreten Konstellation im Einzelfall bleibt unberücksichtigt. Gerade die mannigfaltig ausgestaltbaren Arten von Staking werden damit ungeachtet ihrer Unterschiede gleich besteuert, nur da diese unter dem Oberbegriff Staking laufen.

 

10.  (Hard) Fork und Air Drop

 

Bei diesen Themen bestand seitens des BMF tatsächlich nicht nur Gesprächsbereitschaft, sondern auch die erkennbare Bereitschaft zum Einlenken. In thematischer Hinsicht sei hier genannt im Falle eines Forks die Aufteilung der Anschaffungskosten der ursprünglichen Einheiten der virtuellen Währung nach dem Verhältnis der Marktkurse der neuen und der ursprünglichen Einheiten sowie im Falle eines Airdrops das Vorliegen eines Anschaffungsvorgangs und die Annahme von Einkünften aus (sonstiger) Leistung gemäß § 22 Nr. 3 EStG im Hinblick auf eine im Entwurf des BMF-Schreibens noch angenommene Gegenleistung.

Zum weiteren Verlauf: Das BMF hat die zeitnahe Veröffentlichung des finalen BMF-Schreibens angekündigt, dass unter Berücksichtigung der Anhörung vom 19. August 2021 inhaltlich weitgehend dem Entwurf vom 17. Juni 2021 entsprechen dürfte. Eine erste Ergänzung wird um Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten mit vorheriger Anhörung erfolgen. Zudem wurde eine „weitere sukzessive Ergänzung des BMF-Schreibens um neue Sachverhalte“ angekündigt, wobei insoweit Schlagworte wie dead coins, delegated proof of stake, gaming tokens, layer 2 Gestaltungen, liquidity mining, margin trading, non fungible tokens u.a. Provisionen bei Weiterverkauf), off chain, option trading, stable coins, wrapping, yield farming und Verlust von Schlüsseln genannt worden sind.

Klar dürfte sein, dass es in Zukunft zahlreiche streitige Fälle geben wird, auch im Hinblick auf in der Vergangenheit verwirklichte, der Finanzverwaltung jedoch noch nicht offengelegte Sachverhalte. Finanzgerichtliche Prozessführung, Nachdeklarationen und Selbstanzeigen sind Begriffe, die in Zukunft fest mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen in Deutschland verhaftet sein werden.