Erstes Urteil zur steuerpflichtigen Veräußerung von Kryptowährungen

Das erste Urteil eines deutschen Finanzgerichts zur Besteuerung von „Kryptowährungen“ bzw. – so in der Begrifflichkeit der deutschen Finanzverwaltungen – „virtuellen Währungen“ ist in der Welt. Es handelt sich um die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juni 2021 (Az. 5 K 1996/19), die jüngst veröffentlicht wurde. In dem Streitfall ging es zusammengefasst um die Steuerpflicht von Gewinnen, die der Kläger im Jahr 2017 aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowährungen innerhalb der insoweit maßgeblichen Frist von einem Jahr erzielte.

Ein solches Urteil lässt natürlich viele Steuerpflichtige und ihre Berater aufhorchen. Wer nun jedoch die Hoffnung in ein überraschendes Urteil gelegt hat, mit dem man der von den Ausführungen der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 17. Juni 2021 entgegentreten kann, wird weitgehend enttäuscht werden. Für die Rechtssicherheit zu diesem Thema ganz entscheidend ist jedoch, dass gegen dieses Urteil Revision vor dem BFH eingelegt worden ist (Az. IX R 27/21). Bis der neunte Senat des BFH hierzu entscheidet, dürften zu dieser Thematik jedoch noch zahlreiche weitere Finanzgerichtsentscheidungen ergehen.

Im Folgenden haben wir Ihnen die wesentlichen Entscheidungsgründe des Urteils vom 17. Juni 2021 zusammengefasst. Unsere Stellungnahme zu diesen Punkten werden wir an anderer Stelle beziehen.

 

  • Gewinne aus der Veräußerung von im privaten Bereich gehaltenen Kryptowährungen sind im Rahmen der einschlägigen Fristen als sonstige Einkünften bzw. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu erfassen und zu versteuern.

 

  • Kryptowährungen sind als „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG anzusehen, was neben Sachen und Rechte im Sinne des BGB auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten umfasse, d.h. sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind.

 

  • Bei den streitgegenständlichen Kryptowährungen handelt es sich zumindest um einen vermögenswerten Vorteil.

 

  • Der Handel an speziellen (Internet-)Börsen und die erzielten Preise zeigen deutlich, dass Kryptowährungen einer gesonderten Bewertung zugänglich sind und Marktteilnehmer sich den Erwerb der virtuellen Währung etwas kosten lassen, weshalb auch an einer Übertragbarkeit von Kryptowährungen nicht ernsthaft gezweifelt werden kann.

 

  • Die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen ist auch nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits verfassungswidrig.

 

  • Insbesondere die Tatsache, dass sich die meisten Handelsplattformen für Kryptowährungen im Ausland befinden, sowie der Umstand, dass die Veräußerung von Kryptowährungen bei den Internetbörsen möglicherweise anonym erfolgt, ändert nichts an diesem Ergebnis.

 

  • Von Bedeutung ist insoweit vielmehr, dass – unabhängig von den Rahmenbedingungen der Veräußerung – für Finanzbehörden regelmäßig unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, z.B. im Rahmen von Sammelauskunftsersuchen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte auch bei Internethandelsplattformen einzuholen.

 

  • Allein die Tatsache, dass sich private Veräußerungsgeschäfte mit Kryptowährungen durch die Finanzverwaltung nur schwer aufdecken lassen, reicht für sich alleine noch nicht aus, um ein strukturelles Vollzugsdefizit zu begründen.

 

  • Das zuständige Finanzamt ist nicht dazu verpflichtet, die Ermittlung der Veräußerungsgewinne durch den Kläger detailliert nachzuprüfen und gegebenenfalls eigene Ermittlungen anzustrengen, da es eindeutigen Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen brauch, sondern regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen kann.